Anuschka Roshani, editor at “Magazin,” is in a legal dispute with Tamedia AG after accusing her superior, Finn Canonica, of creating a “bullying regime” and making sexualized remarks. The Zurich labor court ruled in her favor, overturning her dismissal and granting her compensation equivalent to 33 months’ salary. The ongoing case highlights the protective measures of the Equal Opportunities Act, which allows employees to challenge dismissals without the need for proof of misconduct.
Die Auseinandersetzung zwischen Anuschka Roshani, der Redakteurin des “Magazin,” und ihrem Arbeitgeber, der Tamedia AG, wurde zu Beginn des letzten Jahres offensichtlich. Roshani äußerte in “Spiegel” ohne jeglichen Widerspruch Kritik an ihrem Vorgesetzten, Chefredakteur Finn Canonica. Auf mehreren Seiten beschuldigte sie ihren langjährigen Kollegen, ein “Mobbing-Regime” in der Redaktion installiert und sie systematisch mit sexualisierten Äußerungen herabgesetzt zu haben.
Im Juni 2024 fand eine Anhörung vor dem Zürcher Arbeitsgericht statt: Roshani focht ihre bereits vor dem “Spiegel”-Artikel erfolgte Kündigung an. In einem zentralen Punkt entschied das Arbeitsgericht zugunsten von Roshani und hob die Kündigung, die Tamedia Ende 2022 ausgesprochen hatte, auf. Das Arbeitsverhältnis bleibt somit bestehen, ebenso wie der Anspruch auf Gehaltsfortzahlung.
Insgesamt hat Anuschka Roshani einen Anspruch auf eine Entschädigung, die derzeit 33 Monatsgehältern entspricht, wie aus dem Urteil der ersten Instanz hervorgeht.
Stetige Erhöhung des Anspruchs
Die 33 Monate setzen sich zusammen aus den 24 Monaten seit der Kündigung, einem erweiterten Kündigungsschutz gemäß dem Gleichstellungsgesetz von 6 Monaten sowie der regulären Kündigungsfrist von 3 Monaten.
Solange die Verfahren andauern, wächst dieser Anspruch kontinuierlich an. Ein Ende ist momentan nicht in Sicht: Inzwischen haben beide Parteien gegen das Urteil der ersten Instanz Berufung eingelegt. Das für den Fall zuständige Zürcher Obergericht bestätigte diese Woche auf Anfrage, dass Roshani unter anderem die Zahlung von Entschädigungen anfechtet, die das Arbeitsgericht ihr nicht gewährt hat.
Bis ein rechtskräftiges Urteil vorliegt – oder eine außergerichtliche Einigung zwischen den beiden Parteien – bleibt der Anspruch auf Entschädigung bestehen.
„Aus arbeitsrechtlicher Sicht ist das Gleichstellungsgesetz ein scharfes Schwert, das für Unternehmen kostspielig sein kann“, fasst Roger Rudolph, Professor für Arbeits- und Privatrecht an der Universität Zürich, zusammen. Innerhalb des privaten Arbeitsrechts stellt der privilegierte Kündigungsschutz, der durch das Gleichstellungsgesetz gewährleistet wird, ein Fremdkörper dar.
Normalerweise muss der betroffene Arbeitnehmer nachweisen, dass eine angefochtene Kündigung missbräuchlich war. Fallen Kündigungen jedoch unter das Gleichstellungsgesetz, erfolgt eine Umkehrung der Beweislast. In diesem Fall muss der Arbeitgeber nachweisen, dass die Kündigung nicht aus Vergeltung ausgesprochen wurde. Im Fall von Roshani ist Tamedia gescheitert, diesen Nachweis zu erbringen.
Untersuchung der Vorwürfe nicht erforderlich
Das Urteil des Arbeitsgerichts offenbart eine weitere wenig bekannte Fallstrick, die sowohl der breiten Öffentlichkeit als auch in juristischen Kreisen bislang unbekannt war: Ob die Vorwürfe zutreffend sind, muss im Hinblick auf den Kündigungsschutz nicht geprüft werden. Roshani reichte ihre Beschwerde am 9. April 2021 schriftlich bei der Personalabteilung von Tamedia ein und beschuldigte ihren früheren Vorgesetzten Finn Canonica, sie über Jahre aufgrund ihrer geschlechtsspezifischen Merkmale sexuell belästigt, diskriminiert und gemobbt zu haben. Später verstärkte sie ihre Beschwerde mit einem Mediationsantrag beim Friedensgericht.
Das Einreichen einer solchen Beschwerde genügt, um eine Klägerin unter den Schutz des Gleichstellungsgesetzes zu stellen. Es ist unerheblich, ob die Vorwürfe tatsächlich der Wahrheit entsprechen. Oder mit den Worten des Zürcher Arbeitsgerichts: „Die materielle Gültigkeit einer entsprechenden Beschwerde oder Klage ist für die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzes grundsätzlich irrelevant.“
Das Gleichstellungsgesetz trat vor mehr als 28 Jahren in Kraft. Damit wird der umstrittene Kündigungsschutz aktiviert, sobald eine weibliche Mitarbeiterin Diskriminierung aufgrund ihres Geschlechts durch eine interne Beschwerde geltend macht.
Laut Arbeitsrechtler Roger Rudolph ist die Hürde für das Einreichen einer solchen Beschwerde relativ niedrig. Für eine weibliche Mitarbeiterin reicht es beispielsweise aus, eine diskriminierende Gehaltsdifferenz im Vergleich zu einem männlichen Kollegen geltend zu machen.
Mit der Einführung des Gleichstellungsgesetzes im Jahr 1996 wurden zwei bis dahin unnachgiebige Prinzipien des Arbeitsrechts abgeschafft, die besagten: Für den Arbeitnehmer gibt es a) keinen Anspruch auf Beschäftigung, und der Arbeitgeber sieht sich b) im Falle einer missbräuchlichen Kündigung einem maximalen Entschädigungsanspruch von sechs Monatsgehältern gegenüber. Dies war seit Jahrzehnten im Obligationenrecht geregelt.
Allerdings können mit dem Gleichstellungsgesetz diese Leitprinzipien des liberalen Arbeitsrechts umgangen werden.
Neben dem Rechtsstreit zwischen Roshani und Tamedia gibt es einen zweiten bekannten Fall, der unter dem Gleichstellungsgesetz geführt wird. Seit 2014 sind das Bern Inselspital und die Chefanaesthesistin Natalie Urwyler in einen Rechtsstreit verwickelt. Sie kämpft nicht nur gegen ihre Suspendierung, sondern auch gegen die fehlende Beförderung zur Chefärztin und Professorin.
In einer ersten Runde musste das Inselspital ihr 465.000 Franken an rückständigen Löhnen zahlen. Ihr Kampf geht jedoch weiter; Urwyler hat das Inselspital nun auf Schadensersatz in Höhe von fünf Millionen Franken verklagt. Dies begründet sie mit der Einkommensdifferenz zwischen ihrem aktuellen Gehalt im Wallis Krankenhaus und dem, was sie bis zum Ende ihrer Karriere als Professorin verdienen würde.
Wie der Fall von Roshani gegen Tamedia ist auch Urwylers Fall gegen das Inselspital noch nicht abgeschlossen.