Support for Turkish President Erdoğan is declining, prompting him to attempt to fracture the opposition, particularly targeting the CHP while courting Kurdish votes. Amidst a complicated backdrop, Erdoğan’s government is pursuing a peace process with the PKK, which has been met with skepticism. The recent arrest of Istanbul Mayor İmamoğlu on corruption charges has sparked widespread protests. Many demonstrators demand not just İmamoğlu’s release, but also greater freedoms and democratic reforms in Turkey.
Der türkische Präsident Erdoğan verliert an Unterstützung im Land. Um seine Macht zu erhalten, versucht er, die Opposition zu spalten. Erdoğan möchte die CHP schwächen und wirbt dafür um die Stimmen der Kurden.
Der Prozess ist voller Widersprüche: Die türkische Regierung unter Recep Tayyip Erdoğan strebt einen Friedensprozess mit der PKK an, die auch in Deutschland verboten ist. Der PKK-Führer Abdullah Öcalan, der seit 1999 inhaftiert ist, forderte Ende Februar die kurdischen Kämpfer auf, die Waffen niederzulegen und die PKK aufzulösen.
Vor anderthalb Wochen wurde der Bürgermeister von Istanbul, Ekrem İmamoğlu, wegen Korruptionsvorwürfen festgenommen. Gegen den CHP-Politiker gibt es auch Ermittlungen wegen Unterstützung des Terrorismus – konkret in Bezug auf die Zusammenarbeit mit der pro-kurdischen DEM und damit, so die Interpretation der türkischen Regierung, auch mit der PKK. Beobachter sehen die Festnahme von Erdoğans Hauptkonkurrenten als politisch motiviert an.
In Istanbul haben Hunderttausende für die Freilassung des CHP-Politikers protestiert.
Spaltung der Opposition vorantreiben
Hoffnung auf das Ende eines blutigen Konflikts, der seit über vier Jahrzehnten besteht, auf der einen Seite, Ermittlungen wegen Unterstützung des Terrorismus auf der anderen – was wie ein Widerspruch klingt, ist laut Beobachtern eine machtpolitische Strategie. „Präsident Erdoğan muss Angst haben, bei den nächsten Wahlen die Mehrheit zu verlieren. Seit einiger Zeit wird eine zweigleisige Strategie immer deutlicher: Einerseits wirbt man um die Stimmen der Kurden, andererseits geht man vehement gegen die kemalistische Opposition vor“, erklärt ein politischer Beobachter in der Türkei, der anonym bleiben möchte.
Dawid Bartelt, Leiter der Heinrich Böll Stiftung in Istanbul, fügt hinzu: „Das sind alles Spekulationen, aber es ist durchaus vorstellbar und mit der Machtlogik des Präsidenten vereinbar, dass er den Friedensprozess möglicherweise aus diesem Grund nutzt, um die Opposition zu spalten und sie dadurch zu schwächen.“
Laut Umfragen stellt die CHP mit İmamoğlu und Ankaras Bürgermeister Mansur Yavaş die stärkste Herausforderung für die Präsidentschaftswahlen 2028 dar. Vielleicht ist das der Grund, warum Erdoğan nun um die Kurden wirbt. „Man kann in naher Zukunft mit Fortschritten in den Gesprächen mit PKK-Führer Öcalan und möglicherweise auch mit Zugeständnissen an die pro-kurdische DEM-Partei rechnen“, sagt der Beobachter.
Der türkische Präsident geht zunehmend brutal gegen seine Gegner vor – offenbar aus Angst vor den Wählern.
Spekulationen über Zugeständnisse für Kurden
In der Türkei gibt es Spekulationen über einen möglichen Deal: Zugeständnisse für die Kurden im Austausch für Stimmen der pro-kurdischen DEM-Partei für eine mögliche Verfassungsänderung oder für eine vorzeitige Auflösung des Parlaments, um Neuwahlen zu ermöglichen. Nur so könnte Erdoğan eine dritte Amtszeit sichern. Bartelt geht ebenfalls davon aus, dass Erdoğan um seine Wiederwahl besorgt ist, aber auch „um den Einfluss der Türkei im Nahen Osten insgesamt, insbesondere in Syrien nach dem Sturz von Assad“.
Kurdische Politiker stehen nun vor einem Dilemma: Wenn sie İmamoğlus Festnahme zu scharf kritisieren – bisher haben sich die Vertreter der DEM eher zurückhaltend gezeigt, um sich nicht zu eng an die CHP zu binden – könnten sie den Friedensprozess und damit auch Zugeständnisse gefährden. Laut Bartelt wird über „eine Lockerung von Öcalans Haft, die Freilassung von Demirtaş (Anmerkung der Redaktion: Der ehemalige HDP-Politiker sitzt seit 2016 in Haft), aber vor allem darüber spekuliert, den Unterricht in Kurdisch an Schulen nicht nur als Geste, sondern tatsächlich verpflichtend zu machen, auch an staatlichen Schulen“.
Und laut Beobachtern ist es auch für Erdoğan wichtig: Ein Paket möglicher Verfassungsänderungen, das Erleichterungen für Kurden enthalten könnte, könnte gleichzeitig Themen umfassen, die für Erdoğans AKP von Bedeutung sind. Zum Beispiel die weitere Liberalisierung des Kopftuchs.
Seit Tagen demonstrieren Hunderttausende in der Türkei. Es geht nicht nur um İmamoğlus Festnahme.
Menschen fordern mehr Freiheiten und Demokratie
İmamoğlu hat viele Unterstützer kurdischer Herkunft. Einige haben sich ebenfalls an den Protesten beteiligt. Viele sind nicht nur an der Freilassung İmamoğlus interessiert, sondern auch an besseren Bildungs- und Arbeitsmöglichkeiten, mehr Freiheiten und mehr Demokratie. Diese Themen spielen auch für viele Kurden eine bedeutende Rolle. Allein am Samstag versammelten sich mehrere Hunderttausend Menschen im asiatischen Stadtteil Maltepe in Istanbul. Ob die Proteste in den kommenden Tagen und Wochen weiter zunehmen oder eher abflauen werden, ist ungewiss.
Da die Menschen täglich auf die Straßen strömen, ist der Friedensprozess zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung in den Hintergrund gerückt. Momentan ist unklar, welche Themen für die kurdische Bevölkerung wichtiger sind: ein Friedensprozess und mehr verfassungsmäßig garantierte Rechte oder ein politischer Wandel nach mehr als zwei Jahrzehnten unter Erdoğan.
Tülay Hatimoğulları, Co-Vorsitzende der DEM, äußerte sich auf die Frage, ob der Annäherungsprozess unterbrochen wurde: „Wir glauben, dass die Gespräche und der Verhandlungsprozess fortgesetzt werden sollten. Denn es stehen sehr wichtige Themen auf dem Spiel. Die Türkei hat grundlegende Probleme wie Demokratisierung und die Lösung der Kurdenfrage.“
Dieses Thema wurde am 29. März 2025 um 23:14 Uhr von Deutschlandfunk berichtet.