Bicycle culture in Belgium and the Netherlands is characterized by a unique, somewhat anarchic spirit. Meredith Glaser, the first bicycle professor in Flanders, advocates for wider bike paths to promote conversation while cycling. She emphasizes the numerous benefits of cycling, including environmental advantages and public health. The article explores the cultural roots of cycling in these regions, the development of cycling infrastructure, and the societal norms that influence riding without helmets, highlighting the importance of integrating cycling with public transport for a sustainable future.
Fahrradfahren in Belgien und den Niederlanden: Eine andere Kultur
In Belgien und den Niederlanden hat das Fahrradfahren eine leicht anarchische Note. Meredith Glaser, die durch Gent zur Universität radelt, ohne einen Helm zu tragen, beklagt sich gegenüber einem Journalisten über den engen Radweg. Ihrer Meinung nach sollte man nebeneinander fahren können, denn das Gespräch gehört zum Radfahren dazu. „Ein Radweg muss daher mindestens zwei Meter breit sein“, fordert sie.
Die erste Fahrradprofessorin in Flandern
Ende November hielt die 42-jährige Forscherin Glaser ihre Eröffnungsrede an der Universität Gent als erste Fahrradprofessorin in Flandern. Die belgische Region unterstützt den Lehrstuhl anfänglich mit 250.000 Euro. Die Regierung verbindet damit auch ein verkehrspolitisches Ziel: Bis 2040 sollen 30 Prozent der Bevölkerung ihre Wege mit dem Fahrrad zurücklegen.
Glaser betrachtet es als positives Signal, dass in der Schweiz vor kurzem gegen den Ausbau einiger Autobahnabschnitte votiert wurde. „Ich verurteile Wachstum nicht, noch möchte ich Autos verbannen“, erklärt sie. Ihr Ziel ist es jedoch, die vorherrschende Erzählung zu durchbrechen, dass Autos die Raum- und Stadtplanung dominieren und dass dies als völlig normal angesehen wird.
„Straßen sind öffentliches Grund“, sagt die Professorin. Autofahrer beanspruchen einen großen Teil davon. Wenn man jedoch Menschen danach fragt, was ihnen in ihrer Nachbarschaft wichtig ist, nennen sie andere Vorlieben als rasend durch das Viertel zu fahren: Zum Beispiel Bäume, Spielplätze und Bänke, die das soziale Leben im Viertel beleben. Oder einfach nur mit dem Hund spazieren gehen.
Glaser, die in Kalifornien geboren wurde, einem Bundesstaat, in dem Autos zum Alltag gehören, konnte es als junge Frau kaum erwarten, 16 zu werden – das magische Alter, in dem sie endlich Autofahren durfte. Zuvor war sie überall von ihrer Mutter hingefahren worden, zu Schule, Sport und anderen Freizeitaktivitäten. Mit 16 fuhr sie ihren eigenen Volvo, der, wie für viele amerikanische Teenager, auch zu einem kleinen Wohnzimmer wurde.
Die vielen Vorteile des Radfahrens werden oft unterschätzt, vor allem außerhalb der Niederlande, ist Glaser überzeugt. „Es gibt so viele ‚Co-Benefits‘.“ Dass Fahrräder die Umwelt nicht belasten und weniger Platz als Autos einnehmen, ist offensichtlich. Darüber hinaus, so Glaser, beugt Radfahren vielen Krankheiten vor und integriert Menschen, die sich kein Auto leisten können. In Städten beleben Fahrräder die Zentren, wenn die Bewohner sie anstelle von Autos nutzen. „Verkehr, Gesundheit und Stadtplanung gehören für mich zusammen“, sagt die Forscherin.
Die Gründe, warum Radfahren in den Niederlanden und teilweise in Belgien so weit verbreitet ist, liegen wahrscheinlich nicht nur in rationalen individuellen Entscheidungen. Einige führen die starke Position der Fahrräder auf eine von Protestantismus geprägte Kultur zurück, die zumindest in der Vergangenheit Mäßigung und Sparsamkeit in den Kindern verankert hat. Zudem gibt es einen gesellschaftlichen Druck, sich nicht über die Mitbürger zu erheben. Auf einem schwarzen niederländischen Fahrrad sind alle gleich, sogar Ministerpräsidenten.
Es gibt Fotos des ehemaligen Amtesinhabers und aktuellen NATO-Generalsekretärs Mark Rutte, der auf seinem Fahrrad, während er einen Apfel isst, das Regierungsviertel in Den Haag verlässt. Mit nur einer Hand am Lenker, von dem seine Tasche baumelt, könnte sich ein niederländischer Politiker kaum besseres PR wünschen, auch wenn er mit diesem Fahrstil nicht den Schweizer Radfahrtest bestehen würde.
In den letzten Jahrzehnten wurde das Radwegenetz in Amsterdam und anderswo erheblich ausgebaut. Besonders an Bahnhöfen wurden riesige Unterstände mit Tausenden von Abstellplätzen geschaffen. Gleichzeitig wird Autofahrern in der größten Provinz der Niederlande der direkte Weg zu ihrem Ziel verwehrt.
Amsterdam-Bewohner legen etwa ein Drittel ihrer Wege mit dem Fahrrad zurück. Allerdings hängt der Anteil dieses Verkehrsmittels im sogenannten Modal Split auch davon ab, in welchem Viertel man lebt – ähnlich wie vermutlich in Zürich, wo der Anteil der Fahrräder bei etwa 10 Prozent liegt.
Es fällt auf, dass die Bewohner Amsterdams Autos so häufig nutzen wie die Zürcher, trotz ihrer Begeisterung für das Radfahren. Allerdings gibt es signifikante Unterschiede im öffentlichen Verkehr und beim Gehen. In Zürich sind diese beiden Verkehrsmittel viel verbreiteter als in Amsterdam.
Steht man also vor der Wahl, zwischen öffentlichen Verkehrssystemen und Radwegen Alternativen zu Autos in engen europäischen Städten zu schaffen? Glaser widerspricht energisch. Beide Verkehrsmittel sollten miteinander verbunden werden, zum Beispiel durch den Bau großer Fahrradparkhäuser an Bahnhöfen, wie es in den Niederlanden praktiziert wird. Der Platz ist dort jedoch besonders begrenzt, sowohl in den Niederlanden als auch in der Schweiz.
Glaser unterstützt jedoch nicht den Verkehrswandel, also den Wechsel von Verbrennungsmotoren zu Elektrofahrzeugen. Dieser Sprung von einer Technologie zur anderen ändere nichts an dem seit 100 Jahren bestehenden Teufelskreis, in dem Autos die Stadtplanung dominieren.
Aber warum tragen die Niederländer und Belgier beim Radfahren fast nie Helme, so wie sie selbst? Glaser wird zur Aktivistin, wenn sie auf diese Frage angesprochen wird. Fahrradhelme reflektieren eine Sicherheit, die nicht existiert. „Zudem wird die Verantwortung zur Minimierung schwerer Verletzungen auf die Radfahrer abgewälzt“, sagt sie. Dies marginalisiert weiter die Nutzer dieses Verkehrsmittels. „Stattdessen sollten Autos Warnhinweise tragen wie Zigarettenpackungen, angesichts der vielen Todesfälle.“