In Switzerland and Brazil, high-ranking judges and lawyers attend lavish events sponsored by corporations with vested interests, raising concerns about ethical implications and lobbying. Critics argue that these gatherings create a bureaucratic elite that enjoys substantial privileges, including excessive vacation time and special allowances. Despite the judiciary’s role in safeguarding democracy, issues like nepotism and a self-serving mentality persist, resulting in a costly justice system in Brazil, significantly more expensive relative to its GDP than in Switzerland.
Stellen Sie sich folgendes Szenario in der Schweiz vor: Ein Richter des Bundesgerichts lädt einmal jährlich zu einem großen Juristentreffen in ein luxuriöses Resort in der Karibik ein. Nicht nur die Hälfte des Gerichts und zahlreiche prominente Anwälte sind eingeladen, sondern auch Politiker, Regierungsräte und hochrangige Beamte. Die mehrtägige Veranstaltung wird von Unternehmen gesponsert, die Klienten der Anwälte sind oder deren Fälle derzeit vor Gericht verhandelt werden.
Ähnliche Verhältnisse herrschen in Brasilien, wo Gilmar Mendes, der Präsident des Supremo Tribunal Federal (STF), jährlich zu einem Event in Portugal einlädt. Mendes ist der dienstälteste Richter des Gerichts und gilt als die graue Eminenz der brasilianischen Justiz. Bei dem mittlerweile 12. Rechtsforum im Juni traten 300 Referenten auf, und es wurden 2000 Teilnehmer erwartet. Co-Organisator ist das Instituto Brasileiro de Ensino, Desenvolvimento e Pesquisa, das Mendes und seiner Familie gehört.
Einladungen von den Angeklagten
Die Kosten für die Häppchen und exklusiven Abendessen der Sponsoren sind nicht bekannt. Allerdings werden Mitglieder des Parlaments, Senatoren und hohe Beamte für Reise- und Verpflegungskosten vom Staat entschädigt. Einige hochrangige Juristen reisen sogar mit Leibwächtern – selbstverständlich auf Staatskosten.
Der Professor für öffentliches Recht an der Universität São Paulo, Conrado Hübner, kritisiert die Veranstaltung als “großes Lobbytreffen”. Das Oberste Gericht verteidigt sich in einer kurzen Stellungnahme und betont, dass die Veranstaltung keine Kosten für das Gericht verursacht. Mit anderen Worten: Die Staatsanwälte und Richter werden offiziell von denjenigen eingeladen, die sie gerade verfolgen oder verurteilen.
Über Bevorzugung unter den Oberrichtern gibt es keine Bedenken. Richter Luís Roberto Barroso verteidigt die Veranstaltung, indem er sagt, dass sie mit allen Teilen der Gesellschaft sprechen. In Lissabon seien nun die Unternehmer an der Reihe.
60 Tage Urlaub wegen außergewöhnlichem Stress
Bruno Carazza, ein Anwalt und Ökonom, der lange im öffentlichen Dienst tätig war, hat kürzlich ein Buch veröffentlicht: “Das Land der Privilegien” lautet der Titel des ersten Bandes, zwei weitere Bände sind in Planung. Er erklärt, dass die eigennützige Mentalität nicht nur dem Ruf der Justiz, sondern der Demokratie insgesamt schadet.
Das Oberste Gericht hat sich kürzlich als Garant der Demokratie erwiesen. Sowohl bei den Versuchen des ehemaligen Präsidenten Jair Bolsonaro, die Wahlen 2022 für illegal zu erklären, als auch beim Sturm auf das Regierungsviertel durch seine Unterstützer nach der verlorenen Wahl spielte das STF eine wichtige Rolle. Dennoch macht Nepotismus die Institution anfällig.
Carazza beschreibt akribisch, wie Richter und Staatsanwälte sich über 36 Jahre brasilianischer Demokratie zu einer bürokratischen Elite entwickelt haben, die hohe Gehälter und Privilegien genießt, ähnlich wie einst am portugiesischen Gericht.
Richter im öffentlichen Dienst haben jährlich 60 Tage Urlaub, doppelt so viel wie die brasilianischen Arbeitnehmer. Diese begründen dies mit der außergewöhnlichen Belastung. Doch der Stress hindert die meisten der 30.000 Richter und Staatsanwälte nicht daran, einen großen Teil ihres Urlaubs “zu verkaufen”. Anstatt Urlaub zu nehmen, arbeiten sie weiter und beziehen sowohl ihr Urlaubsgeld als auch ihr normales Gehalt sowie einen zusätzlichen Drittel ihres Gehalts als Urlaubsbonus – alles steuerfrei.
Wegen der vielen Urlaubstage müssen sich die Kollegen oft gegenseitig vertreten, was zu einer Gehaltserhöhung von einem Drittel führt. Richter erhalten Zulagen für Unterkunft, Verpflegung, Transport, Kleidung, Bestattung, zahnärztliche Behandlung. Die teure private Krankenversicherung für die gesamte Familie in Brasilien ist natürlich auch dabei. Die Kinder haben bis zum 24. Lebensjahr Anspruch auf die Übernahme von Kindergarten-, Schul- und Studiengebühren.
10.000 Franken für Schmuck und Schuhe sind nicht genug
Vor drei Jahren forderte der Rechnungshof die Justiz auf, alle bestehenden Subsidien aufzulisten. Das Ergebnis war eine Liste von 68 Subsidien, Unterstützungsfonds und Entschädigungen.
Das unkontrollierte Wachstum ist darauf zurückzuführen, dass die Gehaltsobergrenze für einen öffentlichen Angestellten gesetzlich auf das Niveau des Gehalts eines Richters am Obersten Gerichtshof festgelegt ist. Niemand darf mehr verdienen als ein Richter am Obersten Gerichtshof, was etwa 7.000 Franken pro Monat entspricht – bei einem durchschnittlichen Einkommen in Brasilien von etwa 300 Franken.
Doch für die meisten ist das nicht genug. Kürzlich klagte eine Staatsanwältin, dass sie mit ihrem Gehalt kaum Schmuck und Schuhe kaufen könne. Sie ist auf das Einkommen ihres Mannes angewiesen, um ihren Lebensstandard aufrechtzuerhalten.
Richter und Staatsanwälte erfinden ständig neue steuerfreie Sonderzulagen, die wie Gehaltserhöhungen wirken. Das Ergebnis: 93 Prozent der Richter und Staatsanwälte verdienten im Jahr 2023 mehr als ein offizielles Mitglied des Obersten Gerichtshofs.
Die eigennützige Mentalität der rechtlichen Elite führt dazu, dass die Justiz in Brasilien mehr als fünfmal so viel in Relation zum Bruttoinlandsprodukt kostet wie in der Schweiz. In Brasilien belaufen sich die Kosten laut dem statistischen Amt auf 1,6 Prozent des BIP, während sie in der Schweiz laut der Europäischen Kommission für die Effizienz der Justiz des Europarats nur 0,28 Prozent betragen.
Seit Lava-Jato herrscht ein Goldrausch in der Justiz
„Um ihre Interessen zu verteidigen, agieren die Anwälte wie ein Kartell“, sagt Carazza. Bruno Brandão von der Nichtregierungsorganisation Transparency International (TI) in Brasilien macht dies aus erster Hand mit. Gerichte versuchen immer wieder, der Organisation Steine in den Weg zu legen. „Unsere Rechtskosten werden ein immer größerer Teil unseres Budgets“, erklärt Brandão, der auch im Vorstand von TI sitzt. Die Organisation ist in 110 Ländern vertreten. Es ist nicht ungewöhnlich, dass Behörden gegen die Anti-Korruptionsarbeit von TI Widerstand leisten. „Das passiert jedoch selten durch hochrangige Justizbehörden, und wenn, dann nur in autoritären Ländern.“
Richter und Staatsanwälte wehren sich hartnäckig, wenn jemand ein Auge auf sie werfen möchte. Brandão schlägt ein Treffen in einem kleinen Café in São Paulo vor, wo schnell auffallen würde, wenn jemand ihm folgt. Misstrauisch beob